Donnerstag, 14. Mai 2015

Was noch zu sagen wäre: Ein kleiner Nachschlag zur Bauausschusssitzung


In der Sitzung des Bauausschusses am 22.4.2015 herrschte allenthalben Dankbarkeit und Zustimmung zu den Aktivitäten der Bürgerinitiative „Pro Gamundia - Lex Gamundia“. Als Mitglied dieser Initiative konnte man fast das Gefühl bekommen, man würde offene Türen einrennen und weitere Aktivitäten mit Ausnahme der Erstellung des Katasters - seien überflüssig.

OB Richard Arnold überreichte den anwesenden Mitgliedern der BI im Anschluss an die Präsentation neben dem kostbaren vierbändigen Werk von Richard Strobel, Kunstdenkmäler in Baden- Württemberg - Schwäbisch Gmünd, auch noch die hochwertig gestaltete Broschüre, Gmünd 2020 - Agenda für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

Das edle Heft lädt ein zum Blättern und Lesen:

Im Handlungsfeld Urbanität kann man unter den Leitzielen 1 und 2 Zielsetzungen der Bürgerinitiative „pro Gamundia - Lex Gamundia“ vermuten. Dort heißt es:

1. Urbane Qualitäten stärken, identitätsstiftende Gebäude erhalten und öffentliche Räume qualitätsvoll gestalten.

2. Wachsen mit Offenheit für Neues, dabei Ergänzungen und Verbindungen von Alt und Neu in unterschiedlichen Funktionen, vielfältige architektonische Formen im urbanen Raum stärken.

Auf der Ebene einer recht weitreichenden Agenda ist ein differenzierter Blick auf die angesprochenen Handlungsfelder kaum zu erwarten. Doch sollte man gerade unter der Erkenntnis, dass „Wirtschaft und Arbeitsplätze“ nur an einem „sympathischen Standort mit hoher Lebensqualität“ gedeihen, weiterdenken, was einen „sympathischen Standort“ ausmacht.

80 % der Welterfassung und -erfahrung macht der Mensch mit den Augen. Alle Sinne wollen beim Aufenthalt in der Stadt zu einer positiven Wahrnehmung kommen: Alles, ein gepflegtes historisches Stadtbild, eine Geräuschkulisse, die Unterhaltung zulässt und nicht beängstigt, der Duft von Kaffee und frischem Brot, Geschmackserlebnisse in einer attraktiven Gastronomie bis hin zur Haptik von Türgriffen und Automaten, alles leistet seinen Beitrag zu dieser „Sympathie“. Wir dürfen aber nicht vergessen: 80% trägt das Sichtbare zu diesem Wohlfühlen bei. Verantwortliche und kompetente Gestaltung ist der wichtigste Anteil am Wohlfühlfaktor einer Stadt!

Nicht nur Arbeiten, Wohnen, Einkaufen, Kinder spielen lassen, diese beschulen und evtl. einen Kaffee während der Shoppingtour trinken sind Ausdruck der Bedürfnisse der Stadtbewohner, sondern das Wohlfühlen in einem ästhetisch sinnvoll erhaltenen und gestalteten Stadtraum ist gleichberechtigter Anreiz für die Stadtwahl.

Das Auge isst mit, weiß jeder Gastronom; doch in Bezug auf Architektur lässt sich der Bürger noch viel zu viel unreflektiert aufs Auge drücken, z.B. Restbestände eines barocken Hauses auf Augenhöhe im Erdgeschoss, Portal, Schmuckelemente, Fenster mit schmiedeeisernen Fenstergittern alles noch da und ab dem ersten Stock eine banalisierte Fassade mit standardisierten Kunststofffenstern (Abb.1).



Oder: Ein Eisenbetongebäude mit vorgesetzten Betonelementen, die an zersägte Rohre erinnern in einem Stadtquartier mit kleingliedrigen Gebäuden aus dem 18. Jahrhundert (Abb.2).





-Kleider machen Leute!- sagt man und meint damit, dass die Kleidung etwas über ihren Träger aussagt und der Träger mit seiner Kleidung etwas über sich sagen will. Dasselbe gilt auch für die Architektur - die Architektur macht die Stadt-. Das klingt banal, meint aber immer die Kommunikation zwischen den Besitzern, Bewohnern und der Öffentlichkeit, zwischen Vergangenheit und Gegenwart mit Ausblicken in die Zukunft, sie zeigt Unterschiede zwischen Regionen und Mentalitäten. Letztendlich ist das nicht banal, sondern hoch komplex und bedarf einer bewussten Pflege mit Sachverstand, Verantwortungsgefühl und manchmal auch Mut. Das kann nur in gemeinsamen Anstrengungen umgesetzt werden, orientiert an allgemein akzeptierten Richtlinien (Lex Gamundia) und einem Erhaltungs- und Gestaltungsbeirat, der sich unabhängig von jeder Parteilichkeit darum kümmert.

Eine Fassade aus pflegeleichten Eternit-Platten an einem barocken Stadthaus mag den einen oder anderen genauso wenig stören wie eine Portion Kaffee im Pappbecher. Mit Genuss hat wohl beides nichts zu tun. Wie sagt doch der Schwabe: Coffee to go - Kaffee zom davolaufa.

Rudolf Berkenhoff

für die Bürgerinitiative „Pro Gamundia - Lex Gamundia“

29.4.2015

1 Kommentar:

  1. Die nachhaltige Pflege und Nutzung der historischen Bausubstanz schafft ein umfangreiches ökonomisches Potenzial, dass insbesondere in Baden-Württemberg sehr oft ungenützt bleibt. Im Meer der immer austauschbarerern Innenstädte können sich Städte durch ihre architektonische Einzigartigkeit sehr gut positionieren. Reine und belanglose Marketingmassnahmen ermöglichen so etwas hingegen kaum. Leider fallen die verantwortlichen Gemeinderäte sehr oft durch ökonomische Unkenntnis und Phantasielosigkeit auf.

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